In ihrem zweiten Fall ist eine abgetrennte Hand das einzige Indiz, das Reiko Himekawa bei der Täterjagd zur Verfügung steht. Schnell führt eine Spur ins Tokioter Baugewerbe, in dem offenbar durch arrangierte Unfälle lukrativer Versicherungsbetrug betrieben wird. Doch gerade, als die Todesrekonstruktion des Bauarbeiters Kenichi Takaoka langsam Formen anzunehmen scheint, lässt ein ehemaliger Jugendfreund eine Bombe platzen, die die gesamte Ermittlung auf den Kopf stellt.
In souveränerem Stil als noch im ersten Band entwirft Tetsuya Honda einen Plot, der leider in der ersten Hälfte nur schwer in die Gänge kommt, dann aber ein spannendes Ende bereithält, bei dem das Miträtseln mir diesmal richtig Spaß gemacht hat. Der Spagat zwischen der Enthüllung von Sensationen und der Glaubwürdigkeit der Handlung ist sehr gut gelungen.
Weil Reiko durchaus viel mit Yuka Sato, einer meiner fiktiven Lieblingsfiguren mit eigener Reihe, gemein hat, habe ich mir immer die Frage gestellt, warum zweitere mir doch so viel besser gefällt. Und ich glaube, ich habe die Antwort gefunden: Ihr Team ist viel sympathischer und ihre Gegenspieler interessanter. Denn bei Reiko steht der Feind immer auch in den eigenen Reihen, hier vertreten durch ihren Rivalen Kusaka. Es mag ein interessanter Ansatz sein, aber mir gehen die Eifersüchteleien innerhalb der Polizei ziemlich gegen den Strich, auch wenn diese, wenn man bei Hideo Yokoyama weiterliest, offensichtlich echt ein Ding in Japan sind und möglicherweise authentischer, als ich glauben möchte. Nichtsdestotrotz sind es Gegebenheiten, die einen Krimi für mich viel zu oft ausbremsen. Eine wirklich mitreißende Dynamik entsteht für mich bei Kriminalromanen dann, wenn der Konflikt sich zwischen Täter und Ermittler entzündet und sich hier zwei geniale Protagonisten in ein Katz-und-Maus-Spiel stürzen. Das ist hier nicht ausgeschöpft. Wobei ich dem Band immerhin zugute halten muss, dass der unerträgliche Katsumata aus Band 1 nicht mehr vorkommt. Unverbesserlichen Kotzbrocken irgendeine Art von Sympathie andichten zu wollen, zieht nicht. Nie. Auch wenn es unterschwellig passiert. Da ist es besser, man klammert so jemanden halt aus. Danke.
In ihrem ersten Fall wird Kommissarin Reiko Himekawa bereits mit einem blutrünstigen Gegner konfrontiert. Mehrere Opfer einer Mordserie weisen unzählige Schnittwunden, ansonsten aber keine Gemeinsamkeiten auf. Mit unvergleichlicher Intuition beginnt sie, das Rätsel zu lösen - während anstrengende Kollegen und ihre eigene Vergangenheit ganz neue Schlachtfelder eröffnen.
Tetsuya Honda erfindet an dieser Stelle das Rad des Kriminalromans gewiss nicht neu - vielleicht liegt diese Einschätzung aber auch daran, dass ich nun schon einige Krimis mit ostasiatischem Setting gelesen habe. Reiko selbst vereint jedenfalls einige Klischees in sich: jung, dynamisch, sexy, und als unverheiratete in solcher Position von allen Seiten sehr kritisch beäugt. Das scheint eine Berufskrankheit von Ermittlerinnen im Generellen zu sein. Dabei ist sie durchaus nicht unsympathisch und ihr Hintergrund sogar ziemlich interessant. Jedoch mag sich der Autor bis zu dieser Stelle noch nicht so wirklich entscheiden, ob sie tatsächlich der große Fokus der Reihe sein darf, es gibt nämlich noch drei andere Perspektiven. Die Charakterentwicklung bleibt daher recht oberflächlich, was sich im Verlauf einer mehrbändigen Serie aber hoffentlich und sicherlich noch ändern wird.
Ihr Co-Ermittler Katsumata ist absolut unerträglich, ein komplettes Arschloch mit einem offen zur Schau getragenen Gehabe, welches nur als skandalös zu bezeichnen ist. Ich hoffe sehr, dass dieser Scheißkerl nicht geläutert wird, das wäre total unpassend und würde eine völlig falsche Botschaft senden.
Der Fall an sich braucht ein bisschen, um in die Gänge zu kommen. Lange spielt sich das Ermitteln nur als Befragung ab, die eine gewisse Trägheit implizieren. Auch ohne umhauenden Twist gibt es eine gelungen spannende und logische Auflösung. Wenngleich ich kein Fan von mental gestörten Tätern bin und rationale Motive bevorzuge.
Besonders ist die recht explizite Beschreibung von sexueller sowie physischer Gewalt, insbesondere durch Messerangriffe sowie ein sehr vulgärer Sprachstil. Das muss man mögen, ich fand es in dem gegebenen Setting authentisch, obwohl gerade Letzteres in diesem Buch auf einem Level ausgereizt wurde, das ein bisschen zu viel des Guten war.
Es ist erstaunlich, dass es dem Autor dieses schmalen Bändchens von 178 Seiten gelungen ist, darin die Geschichte des Jiu-Jitsu vollständig und gut lesbar nachzuvollziehen. Zwar gestaltet sich die Einführung notwendigerweise noch etwas trocken, da hier definitorischen Grundlagenaufgaben nachgekommen wird, anschließend entspannt sich vor uns jedoch ein lebendiges Panorama von Lebenswegen interessenter Persönlichkeiten, die auf unterschiedlichste Weise zur Entwicklung der Kampfkunst beigetragen haben.
Man merkt dem Autor an, dass er selbst begeisterter Jiuka ist, darüber hinaus entspricht dieses Buch jedoch in vollem Umfang der Zielsetzung, eine historische Aufarbeitung sein zu wollen. Ein besonderes Anliegen schien es zu sein, verbreitete Mythen zu entzaubern und zahlreiche Irrtümer aus der Welt zu schaffen. Mithilfe sehr tiefgründiger Recherche ist dies vorzüglich gelungen. Für den an zahlreichen Stellen betriebenen immensen Aufwand im Quellenstudium ist dem Autor sehr zu danken.
Hingegen ist für mich der Umgang mit der Verbandsklüngelei in diesem Buch etwas unglücklich. Derartige Passagen werden sehr schnell langweilig, da es schwierig ist, die unterschiedlichen Institutionen auseinanderzuhalten, geschweige denn deren Stellung zueinander wirklich zu durchdringen. Hier hätten Zusammenfassungen meiner Meinung nach dem bündigen Charakter dieses Werkes eher entsprochen. Gleichzeitig wurden die traditionellen Ryuha hingegen zu oberflächlich abgehandelt. Eine knappe Liste mit den wichtigsten Schulen und ihren bedeutsamen Charakterisierungen wäre eine große Hilfe gewesen. So konnte ich mit den immer wieder dosiert vorkommenden, aber wegen der Namen schwer merkbaren und als Vakuum im Raum befindlichen Begriffen im Text leider nur wenig anfangen.
Zudem sind die Kapitel zum deutschen Ju-Jutsu und zum Brazilian Jiu-Jitsu leider nicht so intensiv beleuchtet, wie der Klappentext verspricht. Ersteres ist sehr knapp gehalten, zweiteres konzentriert sich vor allem auf die zahlreichen Eskapaden des Gracie-Clans. Diese sind zwar spannend zu lesen, jedoch habe ich eine konsequente technische Unterscheidung zwischen den drei Stilen vermisst, wie sie im Kapitel zum Aiki Jitsu vorzüglich aufbereitet worden ist. Stattdessen erweckt das Buch den Anschein, BJJ sei vom traditionellen Jiu-Jitsu nicht zu unterscheiden, sondern nur ein Produkt der Lehrtätigkeit von Japanern im Land. Müsste dann nicht jeder Staat sein eigenes Jiu-Jitsu haben? Mir ist bewusst, dass dies kein Lehrbuch ist, eine grobe Übersicht über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede wäre dennoch wünschenswert gewesen.
Als Au Nga-Yee von der Arbeit in ihre Hongkonger Wohnung zurückkehrt ist ihr ganzes Leben mit einem Mal zerstört: Ihre kleine Schwester Siu-man, das einzige ihr verbliebene Familienmitglied, hat Suizid begangen und sich vom Balkon des Hochhauses gestürzt. Schnell ist Nga-Yee sich klar, dass die Schuld für diesen Tod bei dem Verfasser einer anonymen Nachricht im Internet liegen muss, der eine beispiellose Hetzjagd in den Tiefen der Onlinewelt losgetreten hat. Mithilfe des Hackers N versucht sie, den Täter zu finden und entfesselt einen Racheplan.
"Die zweite Schwester" ist nicht nur ein Kriminalroman, wie der Titel suggeriert. Zwar beginnt die Suche mit detektivischem Ermitteln, doch wandelt sich die Geschichte immer mehr zu einem waschechten Hackerthriller. Am Ende steht ein ziemlich universelles Resultat, das Köpfe zum Rauchen bringt, aber trotzdem von einer bestechenden Logik durchzogen ist.
Die Art, wie das faszinierende und doch so enigmatische Handwerk des Hackens in die Story implementiert ist, hat mir sehr gefallen. Der Hacker ist hier nicht Protagonist, sondern Erklärbär, obwohl er das eigentlich gar nicht sein will. Überhaupt ist die Handlung zeitweise angenehm, zeitweise beängstigend realistisch. N ist eine wahnsinnig vielschichtige und beeindruckende Figur. Die Dynamik hat mir gut gefallen, man muss allerdings damit klar kommen, dass er ein sehr verschlossener Zeitgenosse ist - und gerne mal drei Schritte voraus, ohne das irgendwem mitzuteilen. Auch Nga-Yee ist gut gezeichnet und bietet ein hohes Identifikationspotenzial.
Nur sehr vereinzelt fühlte ich mich von den plötzlich auftauchenden Zusammenhängen etwas überrollt oder, wenn das IT-Business und die High Society thematisiert werden, nicht so recht abgeholt. Bis kurz vor Schluss wartet der Roman mit interessanten Twists auf, ohne seine Glaubwürdigkeit zu verlieren.
Das Werk ist ein großer Wurf und mein bisheriges Jahreshighlight. Ich kann jedem Leser nur raten, sich selbst auf die Jagd zu begeben und seine eigenen kombinatorischen und schließlich auch moralischen Grenzen einmal selbst auszuloten.
Ich habe mir "Sarashina-nikki" aufgrund eines Reddit-Posts angeschafft, weil mich die Vorstellung fasziniert hat, an der Gedankenwelt einer historischen Person einzutreten, welche mir sowohl geografisch als auch chronologisch sehr fremd ist.
Das Tagebuch der Dame Sarashina schildert zwei längere Erlebnisstränge: Einmal ihre beschwerliche Reise in die Hauptstadt, die von vielen Unannehmlichkeiten geprägt ist, und zum Anderen ihr dortiges Leben voller Einsamkeit und bestimmt von der strengen Hofetikette.
Die Bezeichnung als "Tagebuch" finde ich hierbei etwas irreführend, es handelt sich eher um eine Art Memoiren, die wirken, als seien sie einige Zeit nach dem Erleben in einem fortlaufenden Prozess aufgezeichnet worden. Der Sprachstil wechselt zwischen einer nüchternen Distanziertheit und poetischen Passagen in Form kurzer Gedichte, die die Verfasserin mit Bezugspersonen austauscht.
Dabei mutet die Form sehr "ins Reine geschrieben" an, eine wirkliche Fassung der tatsächlichen Lebensrealität erkannte ich leider nicht. Die Sprache ist zudem recht anspruchsvoll, und man muss sich trotz der Kürze des Textes ziemlich konzentrieren, da das Erzählte bisweilen sprunghaft und nicht besonders kohärent dargeboten wird. Dennoch ist Sarashina als eine mittelmäßige und von der offiziellen Hofschreibung in gewisser Weise distanzierte Person zu charakterisieren.
Die Textbearbeitung in Form von Fußnoten und einem Vorwort ist gut gelungen und erleichtert das Verständnis des Textes enorm.
Insgesamt fällt es schwer, mit diesem Buch wirkliche Freude zu erlangen, aber ich kann nicht bestreiten, dass es irgendwo interessant und lehrreich ist, sich damit zu beschäftigen. Mir werden vermutlich zahlreiche Anspielungen für immer verborgen bleiben, aber nichtsdestotrotz war es, um mal "etwas anderes" gelesen zu haben, eine zumindest kleine Bereicherung.
Die Geschichte der Aufstiegsrunden zur Bundesliga in den Jahren zwischen 1963 (Gründung der Bundesliga) und 1974 (Gründung der 2. Bundesliga) ist ein Thema, welches im kollektiven Gedächtnis der Fußballrepublik kaum noch präsent ist. Insofern schließt dieses Buch eine beträchtliche Lücke. Denn was für legendären Stoff gibt diese Zeit her: Auf der einen Seite die Dauerbrenner, die auch heute noch einen guten Klang aufweisen: St. Pauli, KSC, Hertha (zumindest bis zum Einstieg eines gewissen windigen Investors) und natürlich der FC Bayern in den ersten beiden Jahren der neuen Eliteklasse. Und auf der anderen Seite die großen Außenseiter, von denen der heutige Fußballfan wahrscheinlich noch nie was gehört hat: Bayern Hof? Göttingen 05? Hertha Zehlendorf? Jupp, alle mindestens dreimal dabei beim Stahlbad Aufstiegsrunde.
Vorab: Inhaltlich ist das Buch ziemlich zu loben, wenngleich teilweise etwas unterkühlt-distanziert. Im Gegensatz zu den Bänden der Oberliga-Reihe wurde sich hier wohltuend auf das eigentliche Kerngeschäft beschränkt, und die meisten Artikel, die erneut einzelnen Vereinen gewidmet sind, sind knackig und lesenswert verfasst.
Strukturell ist aber irgendwie deutlich Luft nach oben. Zunächst einmal betrifft das die Auswahl der hier vorgestellten Clubs. Insgesamt 16 der 46 beteiligten Vereine haben es in das Buch geschafft. Leider wurden dabei die eigentlich interessanteren, weil heute vergesseneren kleinen Vereine sehr stiefmütterlich behandelt. Von den 16 Auserwählten sind - mit Ausnahme des VfL Osnabrück und der wunderlichen Pfälzer Dorfelf des SV Alsenborn alle irgendwann später mal in die Bundesliga aufgestiegen? Haben es diese Clubs so nötig, dass man sich noch einmal an sie erinnert?
Auch die Anordnung der Artikel ist ein Mysterium. Sie folgt weder chronologischen noch geografischen oder gar erfolgsverbundenen Kriterien. Daraus ergibt sich ein ziemliches Rumgehüpfe, da zahlreiche Spiele in verschiedenen Kontexten erwähnt werden. Des Weiteren werde ich das Gefühl nicht los, dass einzelne Bilder nur einen ausgeschnittenen Teil des Gesamtbildes zeigen, die Beschreibung der Fotos aber nicht daran angepasst wurde. Das wirkt dann doch etwas befremdlich.
Fast wie erwartet hat es Werner Skrentny mit diesem Standardwerk geschafft, mich schon auf den ersten Seiten für den Inhalt einzunehmen. Seine persönlichen Erinnerungen an die alte Oberliga-Zeit im Süden der Republik leiten ein sehr informatives und spannend geschriebenes Fußballbuch ein. Im Mittelpunkt steht dabei allerdings keine einfache Verklärung, sondern die vielen großen und kleinen Geschichten der Clubs, von denen viele auch heute noch eine gute Rolle im Profifußball spielen, weshalb hier also nicht immer die Leier von "früher wars bei uns alles besser" bemüht werden muss.
Sehr gut und wichtig ist der Artikel über den von den Nazis ermordeten Nationalspieler Julius Hirsch, der erst durch dieses Buch überhaupt einer breiteren Öffentlichkeit ins Bewusstsein kam und erst danach im verdienten Maße geehrt worden ist. Auch sehr schön die zahlreichen Anekdoten in den Darstellungen der einzelnen Saisons. Mein persönliches Highlight: "Phönix-Torwart Gauß trat in der 2. Hälfte aus nicht ersichtlichen Gründen in den Streik und ließ völlig desinteressiert auch die harmlosesten Bälle passieren, bis ihn schließlich die eigenen Spieler aus dem Tor jagten - Endergebnis 2:6." Danke, dass solche Perlen nicht im Sumpf des Vergessens verschwinden!
Leider finden sich in dem Buch auch einige Flüchtigkeitsfehler, die doch ein bisschen nerven. Auch wundert es mich, dass der im Titel so prominent platzierte Torjäger Kurt Mondschein in dem Buch fast gar nicht erwähnt wird. Sehr lustig dagegen die falsche Bezeichnung des Sinsheimer Investors "Dieter" Hopp.