muyelinh's reviews
92 reviews

Teufelsangst vorm Erbsenberg. Die Geschichte der Oberliga Südwest 1946-1963. by Werner Skrentny

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informative medium-paced

3.5

Der Band zur Oberliga Südwest bietet grundsolide Fußballhistorie. Die Statistik ist super und zahlreiche interessante Geschichten schmücken den Band gut aus. Teilweise waren mir die ersten Artikel zu den Großvereinen etwas zu lang und die zu den Kleineren zu wenig unterscheidbar. Auch mochte ich den Ansatz des Buches, die "Mär vom schwachen Südwesten" durchbrechen zu wollen, nicht. Es ist nunmal Fakt, dass die Fußballclubs im "Land der Rüben und Reben" und seinem merkwürdigen Anhängsel Saarland strukturell gegenüber den anderen Clubs in der Republik zurückstecken mussten. Mit Ausnahme der großen Jahre der Walterelf und dem Finaleinzug des FCS 1952 waren die Südwestclubs auf der großen Ebene halt Punktelieferanten. Das ist auch keine Schande, aber hier durch komische Argumente eine Gleichrangigkeit postulieren zu wollen, macht das Buch unglaubwürdig. Nichtsdestotrotz deutlich besser als der Band zur Oberliga West. Denn der Stil ist trotz allem angenehm sachlich und nur pointiert emotional, sodass sich das Buch größtenteils sehr lebendig lesen lässt.
Die Bibel: Einheitsübersetzung: Altes und Neues Testament by Katholische Bibelanstalt

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challenging dark inspiring reflective slow-paced

2.0

Ich habe das größte Leseprojekt meines Lebens in Angriff genommen: Die Bibel lesen. Und es hat ein Drittel eines Jahres gedauert, um das zu schaffen.

Die Bibel lesen, das heißt auch (und vor allem): In Miniaturschrift gequetschte 1405 Seiten Text, eine altertümliche Ausdrucksweise, die für unsere heutigen Zungen sehr fremd ist, Wiederholungen bis zum Erbrechen, kurzum: Ein Lesevergnügen ist es nicht und war es nie.

Vorab möchte ich trotzdem diese Ausgabe loben, weil sie sich Mühe gibt, die Lektüre zu unterstützen: Unzählige Erklärungen, Verweise auf Referenzen und ein ökumenischer Ansatz, das sind alles Punkte, die ich positiv anmerken möchte.

Eine inhaltliche Bewertung ist in solch einer Rezension wohl nicht zu leisten, zumal ich mit der Zeit auch vieles irgendwie wieder verflüchtigt hat. Man liest die Bibel aber doch eigentlich, um davon irgendeinen Nutzen, eine Erkenntnis zu erlangen. Meine Erkenntnis lautet: Die Evangelien sind lesenswert und helfen mir in meinem Glauben. Der Rest eher nicht.

Ich habe große Probleme mit dem Alten Testament. Zum Einen, weil der Gott des Alten Testaments von altorientalischen Moralvorstellungen geprägt sind, die in der heutigen Zeit keinen Platz haben sollten. Gott ist ein barmherziger und verzeihender Gott, er ist nicht eifersüchtig und rechnet auch nicht Unrecht gegen Unrecht auf. Zudem habe ich große Schwierigkeiten damit, in einem Gott, der ein einzelnes Volk auserwählt haben soll, den universalen Gott des Christentums zu sehen: "Ihr gebt Gottes Gebot preis und haltet euch an die Überlieferung der Menschen. Und weiter sagte Jesus: Sehr geschickt setzt ihr Gottes Gebot außer Kraft und haltet euch an eure eigene Überlieferung." (Mk 7, 8-9).

"Gottes Wort", das ist nach meiner Überzeugung das, was Gott uns durch Jesus Christus selbst mitgeteilt hat, und damit einzig der Inhalt der Evangelien. Jesus sagte: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." (Mt 22, 37-39).

Jeder Versuch, durch die Heilige Schrift Vorschriften zu rechtfertigen, die den Gläubigen auferlegt werden, verletzt nach meiner Auffassung diese beiden Grundsätze. Nehmen wir das Beispiel, in dem, auch in den Evangelien, gesagt wird, die Heirat einer Geschiedenen sei Ehebruch. Hätte Jesus, der die Ehebrecherin verteidigt hat, so etwas gesagt? Bin ich selbst nun wegen dieser Vorschrift gegen den Willen Gottes auf der Welt? Jeder neue Tag bestärkt mich in dem Glauben, dass das genaue Gegenteil der Fall ist. Wir alle täten gut daran, uns auf die wirklich wesentlichen Elementarwerte des Christentums zurückzubesinnen. 
"Jungens, Euch gehört der Himmel!" Die Geschichte der Oberliga West 1947-1963 by Hans Dieter Baroth

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informative sad medium-paced

2.0

Hans-Dieter Baroth, geboren 1937 in Oer-Erkenschwick und 2008 verstorben, ist die undankbare Aufgabe zugefallen, als Erster eine Geschichte einer deutschen Fußball-Oberliga zwischen 1945 und 1963 auf die Beine zu stellen. Die goldenen Oberliga-Zeiten - das gilt für kein Gebiet mehr als für den Westen, dessen Spitzenteams in der frühen Bonner Republik auch zur absoluten Reichsspitze gehörten.

Ich möchte durchaus das erzählerische Konzept des Autors loben, hier eine Sammlung persönlicher Erinnerungen und schriftlicher Aufzeichnungen, für die er sorgfältig recherchiert hat, vorzulegen. Er hätte letztere aber nicht wörtlich zitieren sollen, denn sie passen mit ihrer Sprache überhaupt nicht in dieses Buch. Und der Schreibstil weist noch weitere Probleme auf. Baroth ist Fußballfan - vor allem aber ist er hier Romancier. Und als solcher schreibt er die Passagen in diesem Buch oftmals in einer Form, die gut in einen Roman passen würde, mit ihren stakkatohaften Sätzen und gewundenen Formulierungen in diesem dokumentarischen Werk aber vollkommen fehl am Platz wirkt.

Auch der zeitliche Umfang des Erzählten ist bisweilen unglücklich gewählt. Bei manchen Vereinen, ganz besonders beim VfL Bochum und bei Schalke 04, steigt der Autor in der Urgeschichte der Vereine ein und verliert über die Oberliga-Zeit kaum ein Wort. Und im Falle der kleinen Zechenvereine - z. B. Horst-Emscher oder Katernberg - wurde das Stilmittel gewählt, die Vergangenheit in Schilderungen aus der Gegenwart einzubetten. An und für sich eine nette Idee, nur, dass sich diese Beschreibungen keinen Deut voneinander unterscheiden und damit nach dem zweiten Mal langweilig und nach dem fünften Mal unlesbar werden. Der Verein spielt heute dritt- bis fünftklassig, es kommen nur wenige Zuschauer, die Spieler sind alle nicht "von hier", und am Ende des Fußballtages geht man mit einem lahmen Remis oder mit einer Niederlage in die Kneipe, wo alle Fans eher gleichgültig als enttäuscht sind. Und das ist offensichtlich überall haargenau so.  

Das Buch wurde 1988 veröffentlicht, also zu einem Zeitpunkt, an dem der Revierfußball total am Boden lag. Dortmund war eine absolute Durchschnittstruppe, zwei Jahre zuvor fast abgestiegen. Schalke hatte gerade den dritten Abstieg innerhalb von sieben Jahren hinter sich gebracht, Rot-Weiss Essen spielte drittklassig, und all die anderen Vereine irgendwo unter ferner liefen. Insgesamt vermittelt das Buch eine unglaublich trostlose Stimmung, und ein Oberliga-Fieber wird nicht, aber auch gar nicht entfacht. Klar wusste ich auch vorher, dass die Kohlenpottler sich gerne im Selbstmitleid suhlen, aber lesen wollte ich das eigentlich nicht. Dieses Buch nimmt sich bierernst, und das passt mir nicht. Ich lese lieber Fußballbücher mit erfrischender Ironie und einer positiven Grundeinstellung. Eine Neuauflage des Bandes, im Lichte der neuen Erfolge der genannten Vereine, wäre irgendwie sehr reizvoll.

Darüber hinaus irritieren ständige Rechtschreibfehler bei Spielernamen ("Eppenhof" statt Eppenhoff, "Wevers" statt Wewers, "Kordell" oder "Kördel" statt des richtigen "Kördell", "Weißweiler" statt Weisweiler oder "Kreutz" statt Kreuz... Vielleicht auch noch andere, die mir nicht aufgefallen sind, da auch ich nun natürlich nicht jeden Spieler kenne). Das kann mal passieren, aber doch nicht in dieser Häufigkeit! Das ganze wirkt dadurch übrigens noch skurriler und peinlicher, dass mit Ausnahme des armen Heinz Kördell jeder dieser Namen mindestens einmal auch in richtiger Schreibweise in diesem Buch auftaucht...

Nun kommen wir aber zum Kardinalfehler des Buches, der mich wirklich sauer macht. Baroth erdreistet sich in seiner Bilanz tatsächlich, zu behaupten, die Liga hätte auch den Namen "Oberliga des Ruhrgebietes" tragen können, weil die Vereine aus der Region ja dominiert hätten (Es gibt auch noch andere Strohmann-Argumente). Bitte was? Von 31 Mitgliedern der Liga lassen sich 17 (Borussia Dortmund, Schalke 04, STV Horst-Emscher, Rot-Weiss Essen, Schwarz-Weiß Essen, Sportfreunde Katernberg, Meidericher SV, Duisburger SpV, Hamborn 07, Duisburger FV 08, Westfalia Herne, SV Sodingen, VfL Bochum, Rot-Weiss Oberhausen, SpVgg Erkenschwick, VfL Witten und TSV Marl-Hüls) im weitesten Sinne dem Ruhrgebiet zuordnen. Wobei nicht einmal alle davon porträtiert werden. 14 Teams (1. FC Köln, Viktoria Köln, Preußen Dellbrück, VfR 04 Köln, Fortuna Düsseldorf, Alemannia Aachen, Preußen Münster, Wuppertaler SV, TSG 80 Vohwinkel, Borussia Mönchengladbach, Rheydter SpV, Arminia Bielefeld, Bayer 04 Leverkusen und Rhenania Würselen), also nur eine knappe Minderheit, hatten und haben dagegen mit dem Ruhrgebiet gar nichts zu tun. Doch auch diese Teams haben der Liga ihr Gesicht gegeben und hätten tonnenweise Potenzial für spannende Geschichten gehabt. Ich will dem Autor gar keinen Vorwurf machen, er kannte sich mit den Clubs am Mittel- und Niederrhein vermutlich gar nicht aus. Aber der Klartext Verlag hätte dieses Faktum niemals als Vorwand dafür akzeptieren dürfen, den Inhalt dieses Buches so einzudampfen. Wenn das eine "Geschichte der Oberliga West" sein soll, dann ist sie in nahezu allen Bereichen mangelhaft. Es gibt zwar noch einen zweiten Band, doch der ist nicht nur praktisch nicht mehr erhältlich, sondern der Titel "Helmut, erzähl mich dat Tor!" lässt nicht unbedingt darauf schließen, dass dort die Schwerpunktsetzung groß anders wäre.

Das Buch ist eine Enttäuschung, und ich konnte es nicht genießen. Zwar gibt es immer wieder auch Schilderungen von großartigen Spielern und Spielen der Zeit, aber das reicht halt nicht. Und auch der Statistikteil ist einfach nur schwach, Saisonzusammenfassungen, Torschützenlisten, Aufstiegsrunden oder gar Spielerstatistiken sucht man vergeblich. Stattdessen bietet das Buch nur dröge Kreuz- und Punktetabellen, die man auch in jedem Wikipedia-Artikel findet. 
Spundflasche mit Flachpaßkorken. Die Geschichte der Oberliga Nord 1947-1963 by Jens R. Prüß

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funny informative medium-paced

5.0

In den 16 Jahren, in denen die Oberliga Nord bestand, hieß der Meister 15 mal Hamburger SV. Deutscher Meister durfte sich der Norden indes nur zweimal nennen: 1960 durch ebenjenen HSV, 1954 durch Hannover 96. Irgendwie klingen Analogien zur aktuellen Bundesliga an: Eine Liga, todlangweilig im Bezug auf die Meisterfrage, und über den eigenen Horizont hinaus schlicht nicht konkurrenzfähig. Warum sollte man sich mit so einem Langweiler beschäftigen? 

Jens Reimer Prüß ist für mich schon so eine Art Star der deutschen Fußballhistorienpublizistik - spätestens seit seiner gemeinsam mit Werner Skrentny verfassten HSV-Chronik "Mit der Raute im Herzen" von 2008, dem für mich besten Vereinsbuch Deutschlands. Der Stil des Autors ist geprägt von Anekdoten, von denen ich niemals wusste, dass sie sich je ereignet haben, vorgetragen in einem humorigen Plauderton, der ein Feeling hervorruft, wie es eben ist, wenn Opa (ohne das despektierlich zu meinen) von "früher" erzählt.

Und die Oberliga hat tatsächlich doch so einiges zu bieten gehabt: Schwere Verletzungen, die einen richtiggehend erschaudern lassen, ungebändigte Zuschauerausschreitungen - und natürlich Skandale über Skandale, einige beinahe mitleiderregend lustig, andere mit einer Dreistigkeit durchwoben, die selbst heutigen Finanztricksern im Weltfußball die Schamesröte ins Gesicht steigen lassen würde.

Das ist so ein wenig die Hauptthese des Buchs: Eigentlich war früher nichts anders als heute (zumindest 1991, als das Buch erschien), und die "gute alte" Oberligazeit wird ein bisschen zu Unrecht so verklärt. Dennoch, allein der Klang der heute längst vergessenen Namen von Spielern und Vereinen lässt das Fanherz höher schlagen. Besonders großartig, dass sich Mühe gegeben wurde, jeden der 28 beteiligten Vereine zumindest zu erwähnen. Die Top 7 bekommen sogar einen eigenen Beitrag gewidmet (Außer Braunscheiß, sehr schön!).

Das Buch wird durch einen gut recherchierten Statistikteil abgerundet, es fehlt einzig eine Ewige Tabelle. Insgesamt ein Volltreffer und ein famoses Lesebuch. 
Der Clan der Otori. Die Weite des Himmels by Lian Hearn

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adventurous dark emotional tense slow-paced
  • Plot- or character-driven? Character
  • Strong character development? Yes
  • Loveable characters? Yes
  • Diverse cast of characters? No
  • Flaws of characters a main focus? Yes

3.0

Es ist gar nicht so klar, ob dieser "Band 0" nun eigentlich vor oder nach der Otori-Reihe gelesen werden sollte. Ich habe ihn, der Reihenfolge der Veröffentlichungen entsprechend, danach gelesen. Dafür gibt es auch gute Gründe, denn mit dem Wissen aus diesem Band wäre vieles aus der Originaltrilogie ziemlich fade und würde der Welt viel von ihrem Zauber nehmen. Andererseits muss man aber auch sagen, dass durch die Lektüre der anderen Bände die Hauptkonflikte dieses Settings praktisch vorab bekannt sind:
Man weiß um den Ausgang der Schlacht von Yaegahara, um Takeshis Tod und auch um die Liebesbeziehung von Shigeru und Naomi.
Das einzige, was diesem Band übrig bleibt, zu enthüllen, ist eigentlich, wie Shigeru und Takeo letztendlich zueinander gefunden haben.

Damit bleibt dieses Buch nicht mehr als ein Add-on für Fans. In Überlänge beißen wir uns durch die Ausbildung Shigerus, die irgendwie ziemlich altbacken auf mich wirkte, und durch diverse Beziehungsgeflechte, die irgendwo im Nichts enden. Yaegahara, das man definitiv als Höhepunkt hätte inszenieren können, verliert massiv an Wirkung, wenn man schon vorher weiß,
dass Noguchi die Otori betrügen wird und diese deshalb verlieren. Und das Ende von Takeshi ist fast schon ein bisschen unverschämt.


Natürlich holen die mittlerweile liebgewonnenen und authentischen Charaktere einiges wieder raus, und an zahlreichen Stellen blitzt auch etwas von der sprachlichen und atmosphärischen Finesse der Autorin auf. Aber insgesamt hätte es dieses Prequel für mich nicht zwingend gebraucht, einen größeren Fokus auf Stamm und Verborgene hätte ich gut gefunden, wobei ich auch vetstehen kann, dass man Shigeru hier etwas mehr Platz als wichtige Figur einräumen wollte. 
Der Clan der Otori. Der Ruf des Reihers by Lian Hearn

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dark emotional inspiring sad tense slow-paced
  • Plot- or character-driven? A mix
  • Strong character development? Yes
  • Loveable characters? It's complicated
  • Diverse cast of characters? Yes
  • Flaws of characters a main focus? Yes

4.0

Die folgende Rezension enthält durchgehend heftige Spoiler - ohne geht es bei diesem Finale nicht.

Die Drei Länder sind all das, was sie vorher nie waren - geeint, frei, reich und glücklich. Doch dann zieht eine Bedrohung am Horizont auf, die mächtiger ist als jeder Kriegsherr, die Arai, Tohan oder selbst der Stamm - Saga Hideki, der General des Kaisers höchstpersönlich, fordert die Herrschaft Otori Takeos heraus. Und Takeo weiß nicht, welchem Feind er sich zuerst zuwenden soll - Saga? Dem Stamm, der nach wie vor nach seinem Blut schreit? Oder Arai Zenko, der im Hintergrund seiner Treueschwüre vielleicht irgendetwas plant, das Takeos Leben zerstören kann?

Nun, Takeo entscheidet sich, zu lavieren. Er verhandelt, versucht, die Seiten auszutarieren, seinen Widersachern Kompromisse abzuringen. Das ist durchaus nachvollziehbar und verständlich. Im Grunde genommen bin ich beeindruckt, wie sehr ich Takeos Entscheidungen in der gesamten Reihe nachvollziehen konnte. Dies bedeutet aber auch, dass das Buch lange sehr seeehr langsam vorankommt. Große Teile der 762 Seiten, bestimmt deutlich über 500, wird eigentlich nur geredet. Das zeigt sich auch in der Wikipedia - diese riesige Anzahl an Seiten wird dort mit zweieinhalb Sätzen abgehandelt. Längen sind unabdingbar, und das ist auch der Grund, warum dieser Band kein außergewöhnliches Top-Buch ist.

Denn die Geschichte nimmt hwar erst spät Fahrt auf, aber dann fesselt sie. So sehr, dass meine Emotionen, die schon im dritten Band auf die richtige Art angepackt wurden, mich hier noch stärker in den Sog des Erzählten zu ziehen vermochten. Wer keine Spoiler über das Ende haben will, sollte spätestens jetzt aufhören, zu lesen.

Die Reihe schließt ohne Happy End. Sie endet stattdessen mit der schlimmstmöglichen Auflösung der ineinander strudelnden Konflikte: Dem unumkehrbaren Bruch zwischen Takeo und Kaede. Es ist eine fürchterliche Entwicklung, und genau deshalb ist sie so verdammt gut. Sie ist echt, und sie lässt mich trauern: Gar nicht so sehr um Takeo, der sein Schicksal selbst erfüllt und wahrscheinlich irgendwie seinen Frieden gefunden hat. Aber umso mehr um Maya und Miki, die unzertrennlichen Zwillinge, auseinandergerissen ohne die geringste eigene Schuld.
Ich habe gelernt, Kaede zu hassen, Hana trotz allem irgendwie zu bewundern für ihr unvergleichliches Geschick, mit dem sie ihre Karten ausspielt. Hätte man mir das vor diesem Buch gesagt, ich hätte es nur schwer für möglich gemachen. Aber "Der Ruf des Reihers" macht das mit mir. Diese Geschichte darf eigentlich nicht so tragisch zu Ende gehen (Deshalb werde ich definitiv auch "Die Kinder der Otori" lesen, und zwar, auch wenn dort eine neue Hauptfigur auftritt, mit der klammheimlichen Hoffnung, Kaede und vor allem Miki noch ein Stück begleiten zu dürfen.), andererseits ist dieses bittere Ende in seiner schonungslosen Konsequenz auch irgendwie genau das Richtige für diese Serie.

Abgesehen davon, dass die langen Verhandlungen und die damit einhergehende Trägheit der Handlung über weite Strecken nicht so schön ist, hätte ich natürlich auch gerne mehr über das Schicksal von Shizuka und Madaren erfahren, die irgendwie zum Schluss im Wirbel der Ereignisse beide untergegangen sind und im Vakuum schweben. Außerdem war mir Zenko ein bisschen zu blass, man hätte aus ihm noch einen weitaus interessanteren Antagonisten basteln können. Nichtsdestotrotz bin ich mitgenomnen und erhöhe hiermit in letzter Instanz meine Punktzahl von 3,5 auf 4 Sterne.

Lebt wohl, all ihr, die ihr zu früh gehen musstet. Und ihr, die ihr euch dem Würgegriff des Schicksals bis jetzt entziehen konntet - sorgt dafür, dass die Losung des Clans der Otori euch überdauern wird! 
Der Glanz des Mondes by Lian Hearn

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adventurous dark tense medium-paced
  • Plot- or character-driven? A mix
  • Strong character development? No
  • Loveable characters? Yes
  • Diverse cast of characters? No
  • Flaws of characters a main focus? Yes

4.25

Der dritte Band der Reihe ist bisher mein Liebster. Das liegt vor allem daran, dass es hier, nach langem Vorlauf, endlich richtig zur Sache geht. Unser Protagonist Takeo ficht Schlachten aus, um aus dem Schatten des Untergrundes zu kommen und sein Erbe anzutreten. Gleichzeitig existiert nach wie vor die Bedrohung durch die Mörder des Stammes, die für einige spannende Szenen sorgt.

Langsam, aber stetig schaukeln sich die Einsätze der Beteiligten hoch. Charaktere kommen zu Tode. Und an dem Punkt, an dem Takeo auf die Piratenfamilie der Terada (absolutes Highlight der Reihe) trifft, war ich soweit, dass ich mit Takeo und Kaede mitfieberte. An diesem Punkt habe ich überlegt, dem Roman die volle Punktzahl zu geben, wenn das Ende vernünftig über die Bühne gebracht wird. Nun, nach Ende der Lektüre, muss ich doch ein paar Abstriche machen.

Die Kapitel waren mir ein bisschen zu lang - 440 Seiten auf 11 Kapitel - und das Pacing war etwas inkonsistent. Auf der einen Seite Takeos Perspektive, bei der es Schlag auf Schlag geht und innerhalb von ein paar Sätzen umwälzende Änderungen geformt werden. Und dann die Perspektiven von Kaede und Shizuka, in denen häufig Zustände, die schon länger so bestanden, wieder und wieder wiederholt wurden. Dass auf diesem Wege keine bahnbrechende Charakterentwicklung möglich ist, ist klar.

Auch bei den Antagonisten wurde letztendlich einiges an Potenzial liegen gelassen. In den ersten beiden Bänden waren sowohl Arai als auch die beiden Otorifürsten nahezu ausgeblendet. Das ist zu wenig für überzeugende Antagonisten. Wie soll ich Gegner fürchten, die nie auftreten, über die immer nur gesprochen wird und die ihre Arbeit Attentätern oder niemandem überlassen?

Gerade Arai konnte nie auch nur ansatzweise die Bedrohlichkeit von Iida Sadamu erreichen. Weil er danach praktisch gar nicht mehr auftrat, blieb er für mich bis zu 3/4 dieses Buches immer noch eher der Mann, der Kaede bei den Noguchi gerettet hat und nicht der machtgierige Unhold, der die ganzen drei Länder an sich reißen will. Deswegen fand ich es auch so merkwürdig, dass er wegen der Heirat der Protagonisten wütend ist und Fujiwara unterstützt. Arai kennt Kaede doch. Sollte er hier nicht etwas abwägender agieren. Es wird zwar gesagt, dass Fujiwara Beziehungen zum Kaiserhof hat, aber er ist ein verkackter Exilant. Als ob sich der mächtigste Fürst der ganzen Region von so jemandem etwas sagen lässt.

Die Otorifürsten haben noch weniger Profil. Eigentlich werden sie nur ganz am Rande erwähnt.
Und dementsprechend ist auch das Ende. Halbe Seite Kampf, tot. Und bei Arai ist das noch antiklimaktischer. Bumm - Tot.


Nichtsdestotrotz war das ein zwar etwas gehetzter Abschluss, aber insgesamt eine spannende Lektüre. Mal schauen, was das Sequel noch bringt - wobei ich sagen muss, dass, sollte die Prophezeiung eintreffen, deren Existenz total unnötig war und nur vorab den Leser spoilert. 
Der Clan der Otori. Der Pfad im Schnee by Lian Hearn

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adventurous inspiring tense slow-paced

3.0

Für die meiste Zeit erzählt der zweite Teil der Reihe die Geschichte der Hauptprotagonisten wieder getrennt. Takeo, der sich dem Stamm unterwerfen musste, fügt sich mehr oder weniger in dessen geheimes Regelwerk ein und wird gemobbt, während Kaede in ihre völlig verwahrloste Heimatdomäne Shirakawa zurückkehrt und Pläne entwirft, um ihr Leben selber wieder in eine bessere Richtung zu lenken.

Insgesamt passiert nicht allzu viel in diesem Band, ein Charakter ist viel auf Reisen und die andere hat Umgang mit den unterschiedlichsten Gruppen an Leuten: Soldaten, Bauern, ihre ihr fremd gewordenen kleinen Schwestern und schließlich ein geheimnisvoller Exilant, der ihr neue Möglichkeiten eröffnen, aber auch gefährliche Abgründe aufreißen könnte. Es geht also viel um Charakterentwicklung, und die Autorin hat sich bemüht, einen tiefen Einblick in ihre Welt zu vermitteln. Leider liest sich das ganze überwiegend wie ein typischer Mittelteil einer Trilogie, und spannende Actionszenen sind sehr rar. Es ist schon etwas bezeichnend, dass man in dieser Reihe nach zwei Bänden immer noch keine große Schlacht miterleben durfte. Ein bisschen weniger Gefahrandeutung und ein bisschen mehr Vorschlaghammer würde der Handlung guttun. Ich hoffe dafür stark auf Band 3.

Das Buch ist aber auch nicht so schlecht, dass man sich drüber aufregen müsste. Es liest sich recht schnell, auch wenn die Kapitel für meinen Geschmack viel zu lang sind (383 Seiten auf 10 Kapiteln). Wirklichen Eindruck hat es bei mir nicht hinterlassen. 
Der Clan der Otori. Das Schwert in der Stille by Irmela Brender, Lian Hearn

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adventurous dark sad fast-paced

4.0

Nachdem ich meine ersten beiden Schnupperversuche in die Welt des Clans der Otori relativ zeitig an ein Ende gekommen waren, kann ich nach Beendigung des ersten Bandes nun mit gutem Gewissen sagen, dass ich nur deswegen nicht mit dem Buch klargekommen bin, weil ich zu dieser Zeit wohl zu viele Samurai-Storys um mich herum hatte und mir die Abwechslung im Leseverhalten gefehlt hat, um es genießen zu können. 

Die fiktive, aber stark an das mittelalterliche Japan angelehnte Welt dieser Fantasyreihe teilt sich zwischen drei Clans auf: den übermächtigen Tohan und den kleineren Seishuu und Otori. Die Hauptfigur Takeo entstammt einem kleinen Bergdorf am Rande der Zivilisation. Seine Heimat wird von den Tohan überfallen, und er wird von Shigeru, einem Lord der Otori, gerettet. Um sein Adoptivsohn werden zu können, muss er den Meister auf eine Hochzeitsreise mitten ins Herz der Tohan begleiten. 

Die Reise Takeos mit Shigeru und deren Aufenthalt in der Tohanhauptstadt Inuyama nehmen den breitesten Raum des Buches ein. Dabei versteht die Autorin es, brenzlige Situationen so einzustreuen, dass sich die Action- und Erzählsequenzen gut in der Waage halten. Zum Ende kommt es dann zu einem großen Showdown - plötzlich geht alles drunter und drüber. Die Ideen für den Abschluss dieses Bandes gefielen mir grundsätzlich, aber die Umsetzung war dann doch eher unbefriedigend.
Zum einen passiert DER Wendepunkt der Geschichte off-screen und zum anderen sterben sehr viele wichtige Figuren auf wenigen Seiten. Angesichts des unveränderten Personenverzeichnis in Band 2 bin ich gespannt, wie die Geschichte nach diesem Kahlschlag wieder an Fahrt gewinnen will. Insgesamt wurde hier ziemlich großzügig Potenzial verschenkt.


Wiederum sehr gut gefiel mir, wie nachvollziehbar Takeo handelt. Samuraigeschichten leiden oftmals unter einem milchbubigen Ehrbegriff naiver Hauptpersonen. Das habe ich hier nicht gespürt. Stattdessen hat er mir, obwohl er manchmal ein bisschen blass bleibt, Identifikationsmaterial geboten.

Ein bisschen komplizierter ist die Sache mit Kaede, der zweiten Hauptfigur und Perspektive des Werks. Letztendlich bin ich wegen des Klappentextes mit zu hohen Erwartungen an ihre Figur herangegangen.
Dort wird sie als die, "die allen Männern den Tod bringt" vorgestellt. Nun mag jeder diese Info so ausformen, wie er will, ich hatte eine gefährliche und gefühlskalte Kämpferin erwartet. Das bekommt man nicht, zumindest nicht in diesem Teil. Kaede ist nicht wehrlos und im Grunde auch ganz sympathisch, aber eben auch den männlichen Protagonisten bei weitem nicht ebenbürtig. Dazu passt auch, dass die Liebesbeziehung der beiden sehr wenig Substanz hat.


Insgesamt hatte ich doch mehr Spaß als gedacht, zumal das Buch sich superleicht lesen lässt. Die Grundlage für eine tolle Reihe ist gelegt, ich wäre aber sicher nicht böse, wenn die Handlungsintensität in den folgenden Bänden ein wenig gesteigert würde. 
Fussball Jahrbuch 1958 by Deutscher Fußballbund

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dark informative slow-paced

1.5

Schon im Vorwort grinst mir die verschlagene Fresse von Peco Bauwens, dem DFB-Präsidenten zwischen 1950 und 1962 und NSDAP-Mitglied mit Hang zu nationalistischem Großsprech, entgegen. Kann ja heiter werden, denke ich mir, und werde nicht enttäuscht. Denn der zweite von ingesamt vier Vorrednern (welches Buch braucht bitte VIER Vorwörter) stellt sich als Bundespostminister Ernst Lemmer heraus. Optisch Helmut Kohl auf Alk, faselt der alte weiße Mann: "Fast ist man versucht, zu fragen, ob dieses Spiel ein" deutsches" Spiel sei, denn nirgendwo in der Welt herrscht der "König Fußball" so eindeutig wie bei uns." Stimmt. Nirgendwo, außer in so ziemlich jedem anderen Land außer vielleicht den USA, Kanada oder China. Ernst Lemmer stimmte übrigens 1933 als Reichstagsabgeordneter der Deutschen Staatspartei (DStP) für das sogenannte "Ermächtigungsgesetz", falls noch Fragen nach der moralischen Integrität der Redner offengeblieben sein sollten.

Spätestens jetzt ist eigentlich schon klar, wo die Reise hingeht. Das "Fussball Jahrbuch 1958" des DFB enthält zwar einen Rückblick auf die zurückliegende Saison, dieser beschränkt sich aber auf lediglich 24 der 160 Seiten, die so ziemlich das einzig lesenswerte an diesem Bändchen darstellen. Der Rest ist gefüllt mit seltsam deplatzierten Reiseberichten, ulkigen Geschichten "von früher", staubtrockener Regelkunde und beinahe indoktrinatorischen Essays.

Im Grunde handelt es sich um Nichts als ein Propagandadruckwerk, welches die Agenda des DFB verbreiten soll. Tenor: Um 1905 herum war die goldene Zeit des guten, alten deutschen (!) Fußballs und Amateurfußball ist richtig knorke. Berufsspieler? Bitte nur, wenns wirklich gar nicht mehr anders geht, Geld im Fußball verdirbt den tollen Charakter der schneidigen deutschen (!) Jugend! Und: "Der Sport muß um seiner selbst ausgeübt werden. Meisterschaft, Punkte und Preise sind nicht das Ziel, das wir erstreben!" (S. 126). Zu einem Zeitpunkt, an dem in England das Berufsspielertum schon an die 70 Jahre Normalität war, ein geradezu skurriler Anachronismus.

Ich habe durch das keineswegs überragende Sachbuch "Stürmen für Deutschland" das erste Mal einen Eindruck davon bekommen, wie rechtsgerichtet der DFB noch lange nach 1945 durchsetzt war. Aber diese Erkenntnis in einem zeitgenössischen Dokument so vor Augen geführt zu bekommen, macht mich ehrlich gesagt ziemlich sprachlos.

Der letzte ausgeschriebene Artikel bescherte mir dann allerdings doch noch einen veritablen Lachflash, als der Sportarzt Dr. Küchlin dem tüchtigen Fußballsportler empfahl, nach dem Spiel oder am Abend vor einem aufregenden Wettkampf "ein oder zwei Glas Bier (zu) trinken". Dafür gibts von mir aus meinetwegen noch nen halben Punkt obendrauf. In diesem Sinne: Prost!